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Fortsetzung von Teil 1 von “Die Wohnzimmerschlacht” (⇒LINK).

Im Wohnzimmer fanden schon mehr als unendlich viele Unterhaltungsmedien ihren Einzug. So viele Dinge passierten hier bewusst, sichtlich aber auch abrupt. Technologie änderte sich in dieser Kategorie mehr als nur oft – gefühlt sogar alle fünf Jahre. Die Wohnzimmerschlacht ist in vollem Gange und noch lange nicht zu Ende.

Die_Wohnzimmerschlacht_Teil_2_Nintendo_Switch_Apple_TV_DVD_BluRay_Kolumne_Artikelbild Die Wohnzimmerschlacht (Teil 2)

Diese Kolumne ist auch als Podcast verfügbar.

Podcast_Badge_Transparent Die Wohnzimmerschlacht (Teil 2)

Die Siri-Remote, wie Apple sie nennt, …

… versucht den Beginn der Unterhaltung auf reiner Einfachheit der Bedienung umzusetzen, scheitert zeitgleich aber auch an ihrer gewollten aber manchmal dann doch nicht umgesetzten Einfachheit. Angeschlossen an einen Fernseher steuert und beliefert der Apple TV 4 und der Apple TV 4K dieses Gerät in gleicher Richtung. Schaltet man also mit der Siri-Remote den Apple TV ein, so schaltet dieser auch den Fernseher ein und wechselt auf den richtigen HDMI-Eingang. Schaltet man den Apple TV aus, so wird auch das Fernsehgerät ausgeschaltet. Natürlich nur, wenn der Fernseher auch das CEC-Protokoll über den HDMI-Anschluss versteht. Was aber die meisten neuen Fernseher tun.

Gleiches gilt für die Steuerung der Lautstärke und dabei werden teilweise auch Soundbars unterstützt – die am Fernsehgerät angeschlossen wurden und via Infrarotbefehl angesteuert werden. Ja, der Apple TV kann andere Fernbedienungsbefehle erlernen und fungiert dadurch ein bisschen wie eine universale Fernbedienung. Der Apple TV wird somit heimlich zur Steuerzentrale und versucht alles auf nur eine Fernbedienung und eine Oberfläche zu beschränken. Das ist clever und lässt das Potential dieser kleinen Kiste erahnen und heute auch ausnutzen.

Wir werden täglich regelrecht mit medialen Inhalten überflutet und unser Tag bräuchte vermutlich 12 Stunden mehr, um alles aufnehmen zu können. Filme, Dokumentationen, Serien, Nachrichten, Musik und viele andere visuelle und auditive Inhalte, die uns den ganzen Tag ausfüllen können und die wir gekonnt filtern müssen, um in dieser Medienflut nicht unterzugehen. Ja, wir sind schon ein regelrechtes Konsummonster (⇒LINK). Ein Grund, wieso wir YouTube-Abos pflegen und Netflix unser Film- und Serieninteresse analysieren lassen. Den Knotenpunkt für diese Gebiete zu finden war Apples Idee und auch der Grund den Apple TV mit einem App Store auszustatten.

Mediale Inhalte liegen in Apps …

… und werden von dort abgerufen, denn was unter iOS funktioniert, funktioniert auch unter tvOS auf dem Fernseher identisch und lässt sich intuitiv als Bedienung annehmen. Wer wie und was mit seinem Apple TV anstellt, ist jedem frei überlassen, doch für mich ist es seit vielen Jahren der einzige Zugang zu Medien am Flachbildfernseher. Lineares Fernsehen ist hier fehl am Platz, denn Streaming macht uns Inhalte immer und zu jeder Zeit zugänglich. So startet man die App von YouTube, Netflix, Amazon Prime, Twitch oder eine Mediatheken-App zu dem passenden Zeitpunkt, wenn man es möchte und nicht, wie es das lineare Fernsehprogramm vorgibt. Auch der Videopodcast hat damit einen neuen Bereich erhalten und erfreut sich dadurch neuen Zuschauern.

Es ist bemerkenswert, wie sehr …

… man sich an diese Nutzung gewöhnen kann, denn eine einzige Fernbedienung auf dem Wohnzimmertisch reicht aus, um den dummen Fernseher und die damit verbundene Unterhaltung zu steuern. Und dennoch ist der Apple TV weiterhin manchmal eine 1.0 und das merkt man schon an der Fernbedienung selbst. Sie hat zu viele Knöpfe und das ist ihr Problem. Was an einem iPhone durch einen Home Button und Wischgesten absolviert wird, wird auf dem Apple TV durch neue Knopfbedienungen umgesetzt – der falsche Weg für das richtige Konstrukt. Wieso einen gesonderten Siri-Knopf und wieso ein gesonderter Home Button auf der Fernbedienung?

Viele Dinge geht Apple derzeit noch zu unkalkuliert und unüberlegt an und verzettelt sich damit zeitgleich – denn im Dunkeln hält man die Fernbedienung zu 50 % immer falsch herum, da die Tasten synchron angeordnet sind und sich das Erfühlen der richtigen Haltung im Dunkeln dadurch als wirkliche Herausforderung erweist. Auch, wenn die neuen Fernbedienungen mittlerweile einen weißen und erhobenen Rand aufweisen und sich so das Ertasten erleichtert.

Das Fernsehen ist schon eine Sache für sich …

… und jeder Zuschauer ist anders. Es gibt ihn schlicht nicht, „den Durchschnittszuschauer“, denn allein die medialen Interessengebiete bieten schon die erste große und breite Fächerung in diesem Gebiet an. Apple hat sich über die letzten Jahre sehr behutsam an die Thematik „Fernsehen“ herangetastet – wirklich sehr behutsam. Angefangen vom Zentralisieren der eigenen Daten auf einem iTV, der Verfügbarkeit von iTunes-Inhalten auf einem Bildschirm im Wohnzimmer, das Teilen eigener Inhalte via AirPlay auf den eigenen Fernseher bis hin zum Verpacken der Inhalte in Apps.

Wenn man diese einzelnen Schritte der letzten Jahre bündelt, dann wirkt dieser größer als die technische Evolution des allgemeinen Fernsehens der letzten Jahrzehnte. Das Betrachten von Medien auf einem Fernseher ist für uns zu einer teilweise zeitvertreibenden Routine geworden. Wir schalten die Flimmerkiste allein aus Gewohnheit schon jeden Abend ein und lassen uns immer wieder aufs Neue mit Werbung berieseln oder auch an spannende Blockbuster fesseln. Der Fernseher ist einer der größten Mittelpunkte in unserem Leben und das ist auch okay. Denn genau aus diesem Grund wurden unsere Fernsehapparate immer größer, dünner und pixellastiger. Und dennoch – am Ende entscheidet nicht die Technik selbst, sondern der zu betrachtende Inhalt und der Umgang damit.

Apple TV+ lautet der …

… nächste technisch logische Schritt, damit Apple nicht nur ein Entwickler und Produzent von Hardware in Verbund mit Software bleibt, sondern ein Dienstleister wird. Die iCloud, Apple Music, Apple News, Apple Arcade und vieles andere zeigt ganz klar, dass in einem Ökosystem auch systemweit Nutzergebiete liegen, die als Abo geklickt und genutzt werden. Der Besitz nach Inhalten ist heute oft kein Verlangen mehr. Vielmehr wollen wir immer alles direkt verfügbar haben – was die alten, verstaubten DVD-Regale mit noch dickerem Staub bedecken lässt.

Mit seinem eigenen Streamingdienst für Filme und TV-Serien etabliert sich Apple ganz geradlinig in der Filmindustrie. Man kann nicht nur mit neuer Hardware offene Münder bewirken, sondern auch mit eigenen Blockbustern. Zumindest ist dies das Versprechen, das Trailer für die neuen Apple TV+ Inhalte überbringen.

Netflix, HBO und Co. sollten sich warm anziehen, …

… denn der Winter kommt. Game Of Thrones, Stranger Things und andere große Eigenproduktionen lassen bekannte Streaminganbieter im Glanz erstrahlen. Allein aus diesem Grund belässt man dort sein Abo und kündigt es nicht. Man wartet auf die Fortsetzungen oder den nächsten großen Clou. Manchmal wartet man hier auch nur darauf, dass sich eine Serie dem Ende naht und man bis zum Ende mitfiebert. Apple hat mit Apple Music einen ersten Fuß in eine große, schwer Tür gesetzt und sich als ein sehr marktstarker Streaminganbieter für Musik etabliert. Heute ist Frage “Apple Music oder Spotify?“. Wird die Frage in einigen Jahren also vielleicht “Apple TV+ oder Netflix?” heißen?

Alles eine Frage der Zeit und derzeit noch nicht beantwortbar. Was man aber beantworten kann, ist, dass Apple nur eigene Produktionen auflegt. Keine Inhalte aus anderen Schlachten alter Tage sind auf Apple TV+ zu sehen, sondern nur neue Aufmärsche von Flimmerinhalten. Wieder kommt somit ein Kämpfer zum Vorschein und beteiligt sich an einer ewig andauernden Wohnzimmerschlacht. In diesem Fall wird aber nicht mehr um das Medium gekämpft, sondern um den ersten Platz als der Streaminganbieter für Filme, Serien und Co. schlechthin.

Von Anfang an dabei sein, …

… lautet das Verfahren. Wer ein neues iPhone oder iPad kauft, der bekommt ein Jahre Apple TV+ kostenlos dazu. Damit zahlt man für zwölf Monate nicht die 4,99€ monatlich, sondern nutzt den Dienst kostenlos und auf all seinen Geräten, die mit der gleichen Apple ID unterwegs sind. Auf Wunsch teilt man dieses Abo auch mit der Familie über die Familienfreigabe und bekommt so noch mehr unter einen Hut. Die Inhalte sind da, wo man selbst ist. Ein Grund, wieso eine Netflix-App auch heute auf jeder Konsole vertreten ist – man ist da, wo der Zuschauer ist oder sein könnte.

Nach den zwölf Monaten bleibt der bisherige Zuschauer entweder bei Apple TV+ oder kündigt es nach dem Probeabo von einem Jahr. Die Entscheidung wird hier sicherlich von den Inhalten abhängen. Und mit Sicherheit wird die ein oder andere Fortsetzung genau dann erscheinen, wenn die meisten Probeabos ablaufen. Ganz nach dem Motto “Es wäre doch schade, wenn du jetzt gehen und dies verpassen würdest“. Auch verschwinden 4,99€ für einen Streamingdienst komplett, wenn sie für die Familie über die Familienfreigabe eingeworfen werden. Ein kleines Abo für die ganze Familie. Verträge mit namenhaften Regisseuren, Schauspielern und den technischen Aufwand, den hauseigenen Streamingdienst in etlichen Ländern mit unterschiedlichen Sprachen zu platzieren, zeigt die Ernsthaftigkeit hinter dem Vorhaben.

Ein Bundle aus Diensten …

… könnte zu einem Rundumsorglos-Paket werden. Monatliche 20€ und schon hätte man Apple Music, Apple Arcade, Apple TV+ und Apple News verfügbar. Dass sie so kommen wird, ist mehr oder weniger abzusehen und ein sehr logischer Schritt, um Kunden zeitgleich im Ökosystem zu halten bzw. zu behalten. So manch einer wird dann wahrscheinlich sehr schnell überlegen, ob er durch diese Angebotsbündelung nicht doch sein Spotify-Abo kündigt und zu Apple Music wechselt. Denn es werden ja auf Dauer nicht weniger Abos, die wir so abschließen, nutzen und auch behalten wollen. Nicht wenige kündigen beispielsweise ihr Netflix-Abo und reaktivieren es erst dann, wenn sie etwas von neuen und sehenswerten Produktionen mitbekommen – bestes Beispiel ist hier mit Sicherheit die deutsche Serie “Dark”, welche selbst in anderen Ländern großen Erfolg feierte.

Hier liegt es aber an Apple selbst. Ein Silo mit medialen Inhalten darf nie einen Boden haben, auf dem man irgendwann aufschlägt, taumelnd aufwacht und wegrennt. Diese Art von Silo muss immer voll und gar überfüllt sein. Nicht umsonst hat Apple für Apple Music den gesamten Musikkatalog aus iTunes in den Dienst hineingekippt. Nein, nämlich genau aus diesem Grund. “Lauf nicht weg. Hier ist noch mehr.” Es liegt also an Apple, ob Apple TV+ ein Erfolg wird und sie für sich mit dem Apple TV als Hardware die Wohnzimmerschlacht für sich gewinnen können.

Wir brauchen weniger, aber Besseres.

∼ Dieter Rams ∼


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