Vor dem iPhone in 2007 sah die mobile Telefoniewelt ein wenig anders aus. Handys waren zu Beginn ihrer Ära groß, schwer und allgemein klobig und unhandlich. Aber sie erfüllten ihren Zweck und ermöglichten die mobile Erreichbarkeit von Menschen. Das iPhone als Smartphone änderte diese Welt grundlegend, indem es mit viel mehr als nur mit einem Telefongespräch aufwarten konnte. Doch wie viel Smartphone ist eigentlich gut für uns?
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Bevor diese Frage überhaupt beantwortet werden kann …
… gilt es eine Sache zu klären: Ein Smartphone ist kein Handy. Auch wenn wir heute immer umgangssprachlich Handy sagen, so ist die Ära dieser Geräte schon lange vorbei. „Smartphone“ ist der korrekte Ausdruck dieser Gerätekategorie und es ist egal, ob auf der Rückseite ein angebissener Apfel oder ein sonstiges Emblem funkelt.
Und doch war es das iPhone aus 2007, das den Startschuss einer neuen Ära abgab und andere Hardwarehersteller auf die gleiche Rennstrecke schickte. Der Oberbegriff Smartphone betitelt ein tragbares und mobiles Telefongerät, das dennoch mehr als nur ein Telefonat aufbauen kann. „Smart“, also „gewandt/gewitzt“, betitelt es nur ansatzweise, denn ein Smartphone ist mehr als diese einfache Beschreibung. Es ist ein tragbarer Computer im Hosentaschenformat – und das vergessen wir heute im Alltag schlicht.
Verschwommenes Alltagsbild
Wo ein Handy zum Telefonieren, zum Schreiben und Empfangen von SMS-Nachrichten und zum Pflegen einzelner Kontakte zu gebrauchen war, wirkt das Smartphone heute wie ein Ding aus der Zukunft. Auch wenn wir dies heute ebenfalls oft vergessen. Besinnen wir uns aber einmal 20 Jahre zurück, dann wird der Blick auf diese Gerätesparte wieder klarer. Tage, an denen wir graue Kisten zu Hause minutenlang hochfahren mussten, um kleine oder größere Alltagsdinge erledigen zu können, wirken heute wie Tage von vor 100 Jahren. Der technologische Wandel erlaubt uns heute die E-Mail am grauen Kasten in Sekundenschnelle über einen Griff in die Hosentasche zu erledigen. Was also einst fast schon als abendliches Ritual vollzogen wurde, vollbringen wir heute einhändig beim Einsteigen in die S-Bahn – und ganz bewusst.
Das Smartphone hat allerhand Dinge verändert. Manchmal bewusst und manchmal auch ganz unscheinbar und unbewusst, wenn wir ehrlich sind. Wo sind Fotoapparate geblieben, in einer Zeit, in der das einstige Handy heute Bilder in Hochglanzauflösung schießen kann? Was ist mit den Camcordern und ihren Magnetbändern passiert, wo unsere Smartphones heute Videos in Kinoauflösung aufnehmen können? Wo sind die technischen und damals teuren Taschenrechner verschollen? Wo sind Walkman, Discman und der iPod geblieben (⇒LINK), wo das Smartphone heute alle Medien der Audio- und Videowelt wiedergeben kann? Und wo sind die schrillen und pfeifenden Töne der Interneteinwahl geblieben, wo wir heute 24 Stunden und 7 Tage die Woche permanent im Internet eingewählt sind? Es hat sich vieles verändert und wir uns zeitgleich mit. Eine Revolution löste eine Evolution aus.
„Geh doch mal runter an die Zelle und ruf den Doktor an.“
Sätze, welche nur noch einige Generationen unter uns kennen. Denn selbst ein Festnetztelefon war zu gewissen Zeiten der 80er-Jahre noch keine Selbstverständlichkeit. Das Führen eines Handys in den 90er-Jahren ebenso wenig. Das Smartphone ist heute allerdings eine Selbstverständlichkeit – bei Alt und Jung. Heute rufen wir den Arzt einfach an und sei es auch im tiefsten Wald bei einem Unfall. Und wenn wir eine Behandlung wünschen, dann können wir auch mit dem Arzt via Videochat sprechen, Symptome erläutern und uns eine Ferndiagnose geben lassen. Die Krankenakte lebt natürlich digital in einer App. Arzt und Patient klären das Krankheitsbild digital ab und so ist es auch manchmal: Es ist ein digitales Symptom.
Zu viel des Guten
Es ist wie mit allem in der heutigen Zeit. Wir schöpfen aus dem Vollen. Jeden Tag. Und immer wieder. Ein alltäglicher Luxus, der uns oft als deutsche Bürger selten bewusst wird. Wenn wir im tiefsten Winter frische Mangos wollen, dann gehen wir in den Supermarkt um die Ecke und kaufen sie uns. Nicht weil wir unbedingt müssen, sondern weil wir können. Das ein ein hohes Gut, denn nicht immer sind solche im Alltag unscheinbaren Wichtigkeiten auf der Welt überhaupt auch nur vorstellbar oder gar machbar. Unser digitales Verhalten schlägt in die gleiche Kerbe.
Wir sind immer online, immer erreichbar und immer präsent. Selten, dass wir uns noch auf eine Sache am Stück konzentrieren, denn immer wieder lenkt uns der nächste Push in die eine neue Umlaufbahn und lässt uns so auch viel Zeit verschwenden. Wer hört heute noch Musikalben digital vom Anfang bis zum Ende durch, weil ein Musikalbum eine musikalische Geschichte erzählt? Wir reißen uns die Lieblingsstücke einfach raus – wo wir früher noch mühselig die Nadel für umsetzen mussten. Das Angebot an Medien lässt uns den wirklichen Besitz von Kunst – und das ist Musik – gänzlich vergessen. Modrige Keller, in denen einst kostbare Vinylscheiben vor sich hinschimmeln, sind kein seltenes Bild. Das Smartphone hat viele Facetten und viele nebensächliche Facetten ebenfalls altern oder gar verfallen lassen.
„Du hast meine Nachricht gelesen, aber nicht geantwortet.“
Psychologisch betrachtet, ist das Smartphone eine Grausamkeit für sich. Und wenn sich jeder ehrlich an die eigene Nase fasst, dann wird er sich selbst ertappen und in manchen Handlungen verstehen können. Zeiten, in denen man sich noch mit einem Wählscheibentelefon anrief, sich am Telefon mit Namen meldete und ungehemmt ein Telefonat begann, sind lange vorbei. Heute wollen wir schon wissen, was der andere will, bevor er es vielleicht selbst weiß. Dass das nicht funktioniert, muss man nicht groß erklären und doch scheitern am Smartphoneverhalten ganze Beziehungen, Freundschaften oder auch Ehen. Weil man sich nicht direkt meldet, mit angeblich fremden Menschen kommuniziert oder sogar über dieses Medium den Fremdgang vollzog. Eifersucht durch Vorsprung. Vertrauen ist gut, ständige Kontrolle besser? Mit Sicherheit nicht.
Die Gunst der Stunde
Wenn wir unser Smartphone für 10 Minuten ausschalten, in der realen Welt den Blick sitzend von einer Bank schweifen lassen und das Geschehen beobachten, ohne dabei etwas zu kommentieren, dann fallen uns allerhand Dinge auf. Diese Welt hat in manchen Punkten ein digitales Problem. Gefühlt sieht man permanent Menschen mit ihrem Smartphone in der Hand – vielleicht aus produktiven oder auch weniger produktiven Gründen, aber immer mit Gründen. Wie wichtig die Sache in diesem Moment für die einzelnen Personen ist, kann man in diesem Moment nicht beurteilen. Doch man kann für sich beurteilen, ob es für einen derzeit eine Wichtigkeit besitzen würde. Selbstreflexion auf das eigene Verhalten. Wie wichtig ist also die oft stundenlange Smartphonenutzung im Alltag, die uns nicht sehen lässt, wenn das eigene Kind neben uns gerade die ersten Schritte vollbringt, weil wir geistesabwesend die Timeline einer Social Media Plattform durchscrollen.
Prinzipiell ist es wie mit allen Dingen. Man kann es treiben und übertreiben. Es gilt ein gesundes Mittelmaß zu finden, denn es wird in Zukunft nicht einfacher werden, digitalen Inhalten aus dem Weg zu gehen. Wir haben uns weit getrieben und sind noch lange nicht fertig. Die Reise hat erst begonnen und wieso dabei nicht mal an die Seite fahren und den realen Blick der Umwelt genießen. Und gerne kann man diesen Blick mit dem Computer in der Hosentasche durch ein Bild für die Ewigkeit festhalten.
Doch wie viel Smartphone ist nun gut für uns?
Es gibt Fragen, die man nicht pauschal beantworten kann, weil man den Menschen nicht pauschalisieren kann. Jeder muss für sich die Wichtigkeiten im Leben definieren und ihnen mit Feingefühl nachgehen. In meinen Augen ist das iPhone in meiner Hosentasche der tollste Weg der Erreichbarkeit, des Mitteilens und des Konsumieren von bestimmten Inhalten. Und doch bekommt es nur eine bestimmte Aufmerksamkeit zugeteilt, alleine schon, weil nur wichtige Nachrichten über die Apple Watch stumm an mein Handgelenk weitergeleitet werden und dadurch eine Filterung im Vorfeld stattfindet. Das iPhone hat in diesen Momenten keine aktive Aufmerksamkeit und landet nicht in den Händen. Dieses allgemeine Filtern kann jeder Mensch aus eigenen Zügen und dies beantwortet im gleichen Zug auch die gestellte Frage: Wie viel Smartphone ist gut für uns?
Seit Erfindung der Kochkunst essen die Menschen doppelt so viel wie die Natur verlangt.
∼ Benjamin Franklin ∼
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