Design spricht nicht nur eine, sondern etliche an Sprachen. Aber Steve Jobs sagte zu Lebzeiten auch, dass Design nicht ist wie etwas aussieht, sondern wie etwas funktioniert. Mit diesem Satz blieb Apple in jeglicher Produktsparte auf einem Weg der gleichermaßen aus Anschaulichkeit und Funktion besteht. Mit dem iPhone X in 2017 legte Apple einen neuen Weg seiner iPhone-Reihe ein und setzt dem Smartphone an einen ganz neuen Nenner – einen Nenner für einen gesamten Industriezweig.
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Apple legte mit seinen Designs schon immer den Nenner für andere fest – und das absolut unbewusst. Das fing in frühen Firmenzeiten an und gilt bis heute. In frühen Firmenzeiten orientierte sich Apple in seinen Gerätedesigns sehr an der Designsprache der deutschen Firma Braun. Dieter Rams war zu damaligen Zeiten dafür verantwortlich und drückte den Haushaltsgeräten damit eine ganz bestimmte Note auf. Auch er wusste, das Design nicht nur Optik, sondern auch Funktion bedeutet. Dieses einfach Konzept der Sprache, wie Dinge aussehen müssen, damit sie auch ihre Funktion selbstständig übermitteln, übernahm Apple von Beginn an. Der erste iMac war beispielsweise kein grauer Computerkasten, den man unter den Tisch stellte und dann nie mehr anschauen sollte. Der ganze Computer war in einem Monitor verbaut und ein transparentes Gehäuse machte dies auch sichtbar und verständlich. Der Tragegriff am Gehäuse machte auch direkt verständlich, dass man den ganzen Computer einfach umsetzen und so seinen Arbeitsplatz wechseln konnte. Das Design erklärte demnach direkt die Funktionen des Gerätes. Ein tragbarer Computer.
Heute brauchen wir für unsere tragbaren Computer keinen Griff mehr. Einmal ist das MacBook so dünn geworden, dass es so flach wie es ist immer tragbar ist, und zweitens trägt unsere Hosentasche unseren Computer jeden Tag mit sich herum. Das iPhone ist heute kein Telefon mehr, sondern viel mehr. Ab dem iPhone X wurde sehr klar, dass das Display das große Tor zum Inhalt ist und es in Wirklichkeit nur darauf ankommt, was man sehen und anfassen kann. Technologien bleiben oft eine Zeit lang, transformieren sich aber und suchen sich neue Gebiete. Was also einst Touch ID im unteren Gehäuserand war, ist heute Face ID im oberen Gehäuserand. Über das Design könnte man sich in diesem Punkt streiten, denn viele finden bei iPhone X, iPhone Xs, iPhone Xs Max und auch beim iPhone Xr den Notch störend. Im Alltag sieht dies dennoch anders aus, denn der Notch und seine ganze verbaute Technik, verlieren sich aus dem Blickwinkel – auch die Funktionen dahinter.
Der Notch ist im oberen Teile eines jeden neues iPhone-Modells sichtbar und präsent. Mittig platziert sitzt er im Display und beinhaltet hier allerhand Technik. Um genau zu sein sitzen hinter der schwarzen Glasscheibe gleich acht Sensoren. Einer davon ist ein Lautsprecher, der, anders als zuvor, auch für Stereosound am iPhone dient. Daneben ein Annäherungssensor, der dafür sorgt, dass der Bildschirm für Eingaben gesperrt wird, hält man das Gerät zum Telefonieren ans Ohr. Ein Helligkeitssensor und ein Lichttemperatursensor dienen für die Berechnung des äußeren Lichteinfalls und der Lichttemperatur, wodurch das Gerät seine Bildschirmhelligkeit und Bildschirmfarbtemperatur automatisch für den Nutzer einstellen bzw. regeln kann.
Ein weiterer Sensor ist die Kamera, welche für Bilder, Videos aber auch FaceTime-Unterhaltungen genutzt wird. Diese arbeitet mit dem Mikrofonsensor zusammen, damit zum Bild auch ein Ton verfügbar ist. Die Kamera arbeitet mit den restlichen zwei Sensoren zusammen, um Face ID zu ermöglichen. Mit Face ID wird das Gerät anhand einer biometrischen Gesichtserkennung entsperrt. Anders als Touch ID zuvor, ist Face ID in biometrischem Denken vielmals sicherer, da die Ähnlichkeiten dieses biometrischen Abdrucks weltweit viel geringer sind. Konnte der Fingerabdruck eines Menschen sich also weltweit 1 zu 50.000 wiederholen, so ist es bei Face ID 1 zu 1.000.000. Die Wahrscheinlichkeit das ein Gesicht weltweit wiederholt vorkommt liegt um den Faktor 20 niedriger, als das ein Fingerabdruck weltweit wiederholt vorkommt. Ein 20-Faches an Sicherheit klingt gut, oder nicht?
Die Kamera ist eine TrueDepth-Kamera und arbeitet mit den restlichen zwei Sensoren zusammen. 30.000 unsichtbare Punkte werden von dem Punktprojektorsensor auf das Gesicht projiziert. Die Kamera erfasst das Gesicht inklusive der unsichtbar auf dem Gesicht platzierten Punkte und kann dadurch Tiefenmerkmale des Gesichts erkennen und auch unterscheiden. Der Infrarotsensor beleuchtet das Gesicht zugleich und ermöglicht die Erkennung und Berechnung der Gesichtsmerkmale auch bei schlechtem Licht und im Dunkeln. Bei der ersten Einrichtung von Face ID übermittelt der Nutzer die biometrischen Daten seines Gesichts dem System, in dem er in die Kamera sieht und seinen Kopf in mehrere Blickwinkel dreht.
Diese Gesichtsbiometrik wird im Sicherheitsprozessor – der Secure Enclave – gespeichert und ist nur vom System selbst zugänglich. Das System lernt bei jeder Nutzung von Face ID mit. So kann die Sicherheitsfunktion auch bei dem Nutzer unterscheiden, ob er eine Brille trägt oder nicht und dennoch das Gerät korrekt entsperren. Auch Gesichtsveränderungen, wie einen Bartwuchs bei Männern, lernt das System mit. Face ID ist damit eine der bisher sichersten Möglichkeiten ein Gerät über biometrische Daten abzusichern und im Alltag ein schnelles Entsperren von geschützten Geräten zu ermöglichen.
All diese Technologie sitzt auf kleinstem Raum hinter einer Glasscheibe im oberen Rand des Displays. Rundherum besticht die Frontansicht des Gerätes nur noch aus Displayfläche, wobei der linke Teil neben dem Notch für die Uhranzeige und der rechte Teil für die Anzeige von Netzwerk und Batterie genutzt wird. Die Statusleiste wurde dadurch minimalisiert, Wischgesten neu gestaltet und Verwirrungen beseitigt. Von vorne betrachtet schaut man demnach auf ein fast randloses Display, eingelassen in einem Metallrahmen und bestückt mit einem markantem Notch auf der Oberseite. Ein Merkmal das einen direkten Wiedererkennungswert bietet. Und was viele als etwaig störend empfinden, wird von anderen Firmen schlicht übernommen.
Nicht in seiner Funktion, aber in seiner Designsprache. So haben etliche Hersteller von Androidsmartphones heute einen Notch im Display. Hier ist es allerdings mehr eine Kopie des Designs und nicht der Funktion, wodurch sich diese Geräte nicht mit annähernd ähnlicher Technik wie Face ID entsperren lassen – sondern oft auf einen Fingerabdrucksensor auf der Geräterückseite oder sogar im unteren Teil des Gerätes hinter dem Display setzen. Der Notch ist damit ein bekanntes Merkmal, das wiedererkannt wird, aber dessen Funktion beim iPhone derzeit einmalig bleibt. Der Notch ist bei einem iPhone in diesem Sinne sicher einmal eine Designentscheidung, vielleicht auch ein derzeitiger Designkompromiss mit einer sicheren Alltagsfunktion dahinter, aber vor allem eine Designsprache, die von vielen anderen nur aus kosmetischen Gründen kopiert wird. So wie also nach dem iPhone 5s jegliche Konkurrenzgeräte auch einen Fingerabdrucksensor erhielten, jegliche Geräte irgendwann der Designsprache eines iPhone 6 ähnelten, so werden jegliche Geräte bald auch einen Notch als Merkmal besitzen – weil man es machen kann.
Die Klage über die Schärfe des Wettbewerbs ist in Wirklichkeit meist nur eine Klage über den Mangel an Einfällen.
∼Walther Rathenau ∼
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